Berlin, 23. November 2018
Am 25. November 2018 jährt sich das Ende des deutschen Kolonialreichs in Afrika,
Ozeanien und Asien zum 100. Mal. Die brutale Durchsetzung deutscher Interessen während der 35-jährigen direkten Kolonialherrschaft kostete schätzungsweise einer Million Menschen – vor allem afrikanischer Herkunft – das Leben. Nicht nur Deutschlands Genozid an den Herero und Nama, sondern auch der Maji-Maji-
Krieg und der Feldzug Lettow-Vorbecks im Ersten Weltkrieg in Ostafrika waren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Doch die Kolonialzeit hat nicht nur die ehemaligen Kolonien nachhaltig verändert. Zwar sind Kolonialismus und antikolonialer Widerstand aus dem kollektiven Gedächtnis der deutschen Mehrheitsgesellschaft verdrängt worden. Trotzdem ist auch diese Gesellschaft von 600 Jahren europäischem Kolonialismus entscheidend geprägt. Davon zeugt der anhaltende strukturelle und institutionelle Rassismus. Das spiegelt sich in Hunderten von
kolonialrassistischen Straßennamen und Denkmälern wider. Das belegt die Anwesenheit
Tausender sterblicher Überreste, die für menschenverachtende Forschungen in deutsche
Sammlungen verschleppt wurden. Daran erinnern zehntausende, im kolonialen Gewaltkontext angeeignete Kulturgüter in deutschen Museen.
Der koloniale Raubbau an Mensch und Natur setzt sich heute als andauernde globale
Ungerechtigkeit, als ungleiche Verteilung von Reichtum, Ressourcen und politischem
Einfluss fort. Besonders betroffen von struktureller Benachteiligung sind Menschen in Afrika und in der afrikanischen Diaspora. Um darauf hinzuweisen und den Beitrag von Menschen in Afrika und in der afrikanischen Diaspora an der Aufarbeitung der daraus erwachsenden Herausforderungen zu würdigen, haben die Vereinten Nationen 2015 die
International Decade for People of African Descent ausgerufen.
Aus diesen Gründen begrüßen wir, dass die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag
2018 die Kolonialzeit erstmals als eines der zentralen Themen der Erinnerungskultur in
Deutschland benannt hat. Zugleich protestieren wir entschieden gegen ihre Auffassung, dass es dabei nur um die „deutsche Kolonialgeschichte“ gehen würde. Denn nicht nur ist
Kolonialgeschichte eben keine nationale, sondern eine verwobene Geschichte Kolonisierender und Kolonisierter, welche nicht länger einseitig von Deutschland aus
interpretiert werden darf. Es ist vor allem auch nicht hinnehmbar, dass der deutsche
Kolonialismus – im Gegensatz zu der im Koalitionsvertrag eindeutig verurteilten
NS-Terrorherrschaft und zum ebenfalls kritisch bewerteten SED-Regime – nicht
explizit als Unrechtsherrschaft anerkannt wird.
Wir fordern die Bundesregierung, die Bundesländer und die Kommunen dazu auf: Continue reading →